QUALIFIZIERUNG UND ZERTIFIKAT FÜR KÜNSTLER:INNEN IN DER KULTURELLEN BILDUNG
Der bundesweite Pilotkurs „Künstlerische Interventionen in der Kulturellen Bildung” wurde durch das Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim entwickelt und in Kooperation mit der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel durchgeführt. Im Zeitraum von September 2021 bis November 2022 wurde 31 Künstler:innen verschiedener künstlerischer Bereiche die Möglichkeit geboten, sich für künstlerisches Arbeiten in der Kulturellen Bildung zu professionalisieren und ein entsprechendes Zertifikat zu erwerben. Dieses Zertifikat bestätigt insbesondere Kompetenzen in der künstlerisch-ästhetischen Entwicklung von Strategien, Methoden und Praxisformaten in der Kunst- und Kulturvermittlung, im Bereich Kultur- und Projektmanagement sowie fundierte Kenntnisse von fachrelevanten Diskursen und Theorien im Bereich Kulturelle Bildung und Didaktik in den Künsten.
ANLIEGEN DES KURSES
Die Künste haben für die Prozesse Kultureller Bildung besonderes Potential, weil sie „ästhetische Differenzerfahrungen“ jenseits der Alltagswahrnehmung ermöglichen können. Die Erfahrungen von künstlerischen Prinzipien im Sinne eines entdeckungsgeleiteten Lernens können bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Neugierde, eigenständiges und unkonventionelles Denken und Handeln anregen, Erfahrungen von Selbstwirksamkeit verstärken sowie für komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge sensibilisieren.
Obwohl Kunstschaffende sehr wertvolle Arbeit im Bereich der Kulturellen Bildung leisten, fehlt es häufig an der Wertschätzung als Gegenüber in Schulen und anderen Einrichtungen. Dieses Zertifikat soll zur Anerkennung und zu zukünftigen gleichberechtigen Kooperationen zwischen Kunstschaffenden und Akteur:innen im Bildungsbereich beitragen.
RAHMENBEDINGUNGEN DES PILOTKURSES
Der Pilotkurs fand von September 2021 bis November 2022 statt und umfasste insgesamt 230 Stunden. Der Stundenumfang setzt sich aus acht Modulen inklusive vier Vertiefungseinheiten mit Praxispartner:innen (128 Std.) in der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel sowie auf der documenta fifteen zusammen. Hinzu kommen zwei weitere externe Vertiefungseinheiten mit den Praxispartner:innen (26 Std.), ein Selbststudium (50 Std.) sowie die Konzeption, Durchführung und Reflexion eines Praxisprojekts mit Verfassung eines Praxisberichts (26 Std.).
FINANZIERUNG
Der Pilotkurs wurde von der Stiftung Mercator gefördert. In die Entwicklung des Zertifikatskurses durch die Universität Hildesheim gehen die in vorangegangenen Projekten der Stiftung Mercator erarbeiteten Materialien zur Kulturellen Bildung ein, ebenso wie Erkenntnisse der Auswertung zentraler wissenschaftlicher Publikationen aus diesem Feld. In Kooperation mit den fünf von der Stiftung Mercator initiierten Kunstlaboren für Bildende Kunst, Literatur, Musik, Tanz und Theater sowie dem Bundesverband „Kulturagent*innen für kreative Schulen“ sollen dabei insbesondere die ästhetisch-künstlerischen Potentiale in der Zusammenarbeit von Kunstschaffenden mit Bildungsinstitutionen erschlossen werden.
Informieren Sie sich hier zu den Projektpartner:innen.
EVALUATION UND ERGEBNISSE DES PILOTKURSES
In der öffentlich zur Verfügung stehenden Begleitpublikation des Pilotkurses werden zentrale Erkenntnisse zu dem Curriculum und dem Weiterbildungsangebot explizit für Kunstschaffende beschrieben. Die Ergebnisse sind im Rahmen der Begleitforschung und in enger Zusammenarbeit mit Akteur:innen des Kurses,darunter Referent:innen, Teilnehmende und Praxispartner:innen, entstanden. Ebenso nehmen wichtige Expert:innen aus dem Feld der Kulturellen Bildung in der Publikation Stellung. Sie können die Publikation hier digital einsehen.
KURSTRANSFER
Schon von Beginn an wurden Transferorganisationen gesucht, um den Kurs auch an anderen Stellen bundesweit implementieren zu können. Wer Interesse an einer Durchführung des Kurses „Künstlerische Interventionen in der Kulturellen Bildung“ hat, kann sowohl das Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim kontaktieren. Zudem hat im Rahmen der Publikation eine Überarbeitung des Kurscurriculums stattgefunden.
Potentiale der Künste für die Bildung
Den Künsten wird für Lernerfahrungen und Bildung eine entscheidende Bedeutung zugewiesen. Worin diese liegen und inwiefern künstlerische Prozesse Selbstbildungsprozesse bewirken, ist Thema des ersten Moduls. Dabei werden Kunst- und Kulturvermittlung im Kontext des jeweils eigenen künstlerischen Ansatzes reflektiert. Die künstlerische Position und die eigenen künstlerischen Interessen sollen hier den Ausgangspunkt für Prozesse der Kulturvermittlung und Kulturellen Bildung bieten. Dabei werden auch Potenziale der künstlerischen Forschung diskutiert. Es werden Grundlagen für die Konzeption eines eigenen kursbegleitenden Praxisprojektes vermittelt.
Theoretische Konzepte und Diskurse
Theoretische Konzepte und Diskurse der Kunst- und Kulturvermittlung und der Kulturellen Bildung unter dem übergreifenden Aspekt von Diversität stehen im Fokus dieses Moduls einschließlich der Reflexion internationaler Diskurse. Begleitend werden maßgebliche Ansätze der Kultur- und Bildungspolitik analysiert. Das Modul vermittelt die relevanten Diskurse des Feldes, zu denen die Kursteilnehmer:innen sich selbst positionieren können. Der Austausch zu maßgeblichen nationalen und internationalen Debatten (Poststrukturalismus, Postkolonialismus, educational turn) soll die professionelle Diskursfähigkeit Kunstschaffender in der Kulturellen Bildung vertiefen.
Strategien und Praxisformate der Kunst- und Kulturvermittlung
Praktische Methoden und Formate der Kulturvermittlung aus den verschiedenen Disziplinen der Theaterpädagogik, Tanzpädagogik, Kunstvermittlung und Museumspädagogik, Musikpädagogik und Konzertvermittlung, Filmvermittlung, Literaturvermittlung und Medienpädagogik werden präsentiert und zusammenfassend analysiert auf ihre Potenziale für die ästhetische Kulturelle Bildung. Es wird danach gefragt, welche Auswirkungen der jeweilige Kontext und die jeweiligen Teilnehmenden auf die Vermittlung haben und wie diese berücksichtigt werden können.
Kulturelle Bildung in schulischen Kontexten
Was macht Schule zu einem Ort der Kultur? In diesem Modul werden Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen und die Rahmenbedingungen von Schule analysiert. Ausgehend von der Reflexion eigener Erfahrung als Künstler:in in Schule sowie biografischer Schulerfahrung geht es auch um die Rolle der Kunstschaffenden als externe Projektmitarbeiter:in und die Frage, inwieweit die besondere Praxis innerhalb von Kunstprojekten Schule in ihren Veränderungsprozessen unterstützen können. Antworten auf die Frage, auf welche Weise Kooperationen unter den systemischen Bedingungen von Schule gelingen können, stehen im Fokus dieses Moduls.
Kulturmanagement für Kunstschaffende in der Kulturellen Bildung
Wenn Kunstschaffende kooperative Projekte in der kulturellen Bildungs- und Vermittlungsarbeit durchführen, haben sie es immer auch mit der Bearbeitung von Rahmenbedingungen in oftmals unbekannten Systemen zu tun. Der Bereich des Kulturmanagements vermittelt Strategien und Methoden des Projektmanagements, der Finanzierung, des Marketings, der PR und des Audience Developments für kulturelle Projektarbeit.
Kulturinstitutionen als Lernorte
Die Bedingungen, Ziele, Konzepte und Formate von Kunstvermittlung und Kultureller Bildung in klassischen Kulturinstitutionen wie Museen, Theater, Konzerthäuser, aber auch in kleineren Einrichtungen wie Kunstvereine, Kindermuseen, soziokulturelle Zentren werden in diesem Modul untersucht. Analysiert wird dabei, inwieweit sich Kunstschaffende in die vielfältige institutionelle Kulturlandschaft wirkungsvoll unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur und Ressourcen einbringen können. Diskutiert wird, in welcher Weise Projekte der künstlerischen Vermittlung und Kulturellen Bildung dazu beitragen können, (klassische) Kulturinstitutionen stärker in die Gesellschaft zu öffnen.
Praxis
Die Stipendiat:innen entwickeln während des gesamtes Kurses ein eigenes Praxisprojekt „Künstlerische Intervention in der Kulturellen Bildung“, das sie hier abschließend präsentieren und mit den anderen Teilnehmenden in Ausschnitten erproben. Individuelle Coachings und Team-Coachings unterstützen die Projektentwicklung. Das Modul beinhaltete einen Besuch der documenta fifteen.
Modell „Train-the-Trainer“
Das Vertiefungsmodul „Train-the-Trainer“ bietet die Grundlagen dazu, dass die Stipendiat:innen, die im Rahmen des Zertifikatskurses erworbenen Kompetenzen selbst als Dozent:innen weitergeben können. Am Beispiel der Konzeption und Durchführung einer Fortbildung für Kunstschaffende können die maßgeblichen Lerninhalte erprobt werden.
Vertiefungseinheiten für unterschiedliche künstlerische Disziplinen
Im Rahmen der Vertiefungen entwickelten Expert:innen der Kulturellen Bildung (s. unten) für den Zertifikatskurs an den künstlerischen Disziplinen orientierte Vertiefungseinheiten. Dabei werden die Modulthemen mit intensivierenden Kurseinheiten aus den Bereichen der Bildenden Kunst, der Literatur, der Musik, des Theaters, des Zeitgenössischen Tanzes und der schulischen Kooperationen ergänzt, sodass die teilnehmenden Kunstschaffenden von ihrer spezifischen künstlerischen Praxis ausgehend bereits hier im direkten Austausch mit langjährigen und bundesweit renommierten Spezialist:innen eigene Strategien für die Kulturelle Bildung entwickeln können.