Sprache:

Home » Absolvent:innen » Baharak Omidfard

Baharak Omidfard

© privat

Baharak Omidfard  ist eine im Iran geborene Künstlerin, Kuratorin und Kunsthistorikerin. Sie studierte visuelle Kommunikation an der Teheran University of Art und Kunstgeschichte und Islamwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sakralbauten an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Ihre Werke wurden im Iran und in Deutschland ausgestellt. In den vergangenen zehn Jahren kuratierte sie diverse Kunstausstellungen in der Schweiz und in Deutschland und
verfasste journalistische Texte zur zeitgenössischen Kunst. Ihre Arbeit ist geprägt von einer disziplinübergreifenden Herangehensweise und einer recherchebasierten Praxis.

Unabhängig davon, ob sie kuratorisch, künstlerisch oder (kunst-)wissenschaftlich agiert, gilt ihr Interesse stets der Schnittstelle zwischen (Gegenwarts-)Kunst und Gesellschaft. Biografisch bedingt liegt ihr Fokus auf kulturellen Kontexten wie Iran/Zentralasien/Vorderasien und Deutschland/Mitteleuropa. In diesen Kulturkontexten beschäftigt sie sich je nach Disziplin mit gesellschaftlich relevanten Themen wie Geschichte, öffentlicher Raum, Erzählung (Storytelling), aber auch mit den durch Postkolonialisierung, Migration und Exil geprägten Identitäten. Innerhalb dieser Themen verfolgt sie transkulturelle und diversitätsorientierte Ansätzen.

Kontakt:

b_omidfard [at] yahoo [dot] com

 

EINBLICKE IN DIE PRAXIS von Baharak Omidfard

„Dear Fractured Stones“ – Eine digital konzipierte Ausstellung

Die digital konzipierte Ausstellung – Dear Fractured Stones, – die ich als Beispiel zu meiner Arbeitsweise und zu meinem Abschlussprojekt vorstellen möchte, habe ich in Kooperation mit dem „Sumac Space e.V.“ und Künstler*innen aus dem Iran und der iranischen Diaspora kuratiert.

Thematisch beschäftigte sich diese Ausstellung mit ‚Bruchsteinen‘ als Material, als Medium und als Metapher. Das Projekt befasste sich mit folgenden Fragen: Welche Inhalte zeigen iranische Künstler*innen anhand des Materials Bruchstein? Welche spezifischen Gestaltungs- und Erfahrungsmöglichkeiten bietet dieses Material im Kontext von aktueller, iranischer Kunst? Wie steht die Materialauswahl zu Themen wie Sammlung und Archiv?

Meine kuratorische Methode zu dem Projekt habe ich dialogisch aufgebaut; im Wesentlichen war die Methode auf eine Zirkulation von Gedanken und Ideen zwischen den beteiligten Künstler*innen und mir ausgerichtet. Teilweise habe ich entstehende Kunstwerke ausgewählt; zum Teil habe ich den kuratorischen Prozess gewagt, indem die Kunstschaffenden nach regelmäßigen Gesprächen und erst während der Vorbereitungszeit die Werke gestaltet haben.

Hier war die visuelle Endform keine Bedingung zur Teilnahme an der Ausstellung. Diese Arbeitsweise zeigt eine gewisse Flexibilität und Dialogbereitschaft im Rahmen eines gesetzten Ausstellungskonzeptes. In bestimmten Fällen habe ich in dem Projekt neben der kuratorischen Rolle als ‚Critical Friend‘ agiert.

Die Ausstellung hat das Thema – (re)collect/(re)connect – hervorgehoben, um durch einen Zusammenhalt eine größere Aufmerksamkeit zu erhalten. Die eingeladenen Kunstpositionen stellten überwiegend unbekannte und/oder unsichtbare Biografien und Identitäten dar, die hinter jedem Bruchstein verborgen war. Bruchsteine in der Mehrzahl standen im übertragenen Sinne für Menschenmassen und repräsentierten das historische Gedächtnis und die kollektive Identität, selbst wenn es in einem Werk um die Künstlerbiografie ging. Aus dem Grund war die Auseinandersetzung mit bestimmten Biografien und geschichtlichen Eckdaten notwendig.

Aus Rezeptionssicht hat sich gezeigt, dass die beteiligten Kunstschaffenden über eine präzise Wahrnehmung zu globaler Gegenwartskunst verfügen und ihre Bezugnahme zu dieser Kunst umfassend und dialogisch ist, während die Arbeitsweisen von iranischen Künstler*innen global weniger bekannt sind. Insgesamt wurden Themen wie Migration, Heimat, Stellung der Frauen unter dem Patriarchat, Umwelt, marginalisierte Gruppen und Kulturen sowie lokale Geschichte und Politik gezeigt, die globale Konnotationen aufzeigen.

In meiner weiteren Tätigkeit arbeite ich zum Teil mit Gruppen und Menschen aus der Stadtgesellschaft(en). Beispielsweise habe ich mich 2019 aus kunstwissenschaftlicher Sicht mit dem Thema Migration und Exil auseinandergesetzt. Ergänzend plante ich eine praktische Arbeitserfahrung zu den Themen; das Projekt „Meine Geschichte töpfern“. Im Sommer 2019 habe ich im Auftrag eines soziokulturellen Verbandes mit Frauen afghanischer, irakischer und syrischer Herkunft gearbeitet, die zu dem Zeitpunkt in Deutschland als neu Zugewanderte galten und in unterschiedlichen Anliegen und Formen durch den Verband betreut wurden. Der Wunsch des Verbands war ein Kunstprojekt, welches Freude an kultureller Teilnahme wecken konnte und in der Freizeit für die Teilnehmenden zu bewältigen war. Darüber hinaus musste das Projekt eine Basis für eine zukünftige Selbsthilfegruppen schaffen. Dabei war für die Konzeption des Projektes von Bedeutung, die Sprachbarriere sowie die Migrationserfahrung zu berücksichtigen. Die Gruppe war aufgrund der kulturellen Herkunft, der verschiedenen Glaubenseinrichtung (jesidisch, sunnitisch und schiitisch) sowie des unterschiedlichen Alters (zwischen 18 und 60 Jahre alt) und des Bildungsniveaus divers aufgestellt.

Auch in diesem Projekt interessierte ich mich für Themen, wie Biografie und Migration, während Erzählung (Storytelling), Partizipation und Berücksichtigung der bestehenden Diversität in der Gruppe eine besondere Herausforderung war.

 

Das Projekt „Meine Geschichte töpfern“ (mein erstes Projekt mit Fachfremden in einer soziokulturellen Einrichtung) habe ich mit dieser generationenübergreifenden, heterogenen Gruppe im Dialog mit den Teilnehmenden entwickelt, das folgende Fragen stellte: Welche Kommunikationsmethoden werden aktivieren, wenn Sprache als wichtigstes Kommunikationsinstrument nicht einsetzbar ist? Wie gehen die Teilnehmende nonverbal mit Biografie und Eigengeschichte um?

Die Projektziele habe ich auf zwei Ebenen formuliert. Auf der formalen Ebene beabsichtigte das Projekt, den Teilnehmenden Zeit und Raum zu geben, sich mit dem Material Ton auseinanderzusetzen. Die Technik töpfern und das damit verbundenen Material habe ich aus dem Grund ausgewählt, da die Herstellung von Töpfer-, Keramikware mit der Erde, mit Ursprung, in Verbindung steht. Diese war auch eine Zielerweiterung, während des Projektes über solche Verbindungen und Themen nachzudenken. Darüber hinaus sollten Keramik-/Töpferobjekte zur Visualisierung der Eigengeschichte dienen und als Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Das Arbeiten mit Ton benötigt Imagination und Handarbeit, welche jede/r besitzt. Inhaltlich handelte es sich um Kreieren eines sicheren Raums für Kommunikation und Austausch einerseits und andererseits um Förderung der freiwilligen Partizipation, der nonverbalen Kommunikation und Aufarbeitung des Themas Migration.

Darüber hinaus musste das Projekt durch eine gemeinsame Aktivität das Ziel erreichen, trotz der Altersunterschiede und Diversität in der Gruppe eine intensivere Verbindung nicht nur zwischen der Gruppe und der Institution sondern auch mehr Vertrauen zwischen den Teilnehmenden herzustellen.

Alle Beiträge von Baharak Omidfard