Die Schauspielerin und Theatermacherin Mareike Wenzel ist seit 2007 Teil des dänisch-österreichischen Performance-Kollektivs SIGNA. Darüber hinaus entwickelt sie eigene Performance-Formate und künstlerische Interventionen in der Kulturellen Bildung. Ihre Arbeiten setzen sich stark mit öffentlichen und privaten Räumen und unterschiedlichen Lebensrealitäten auseinander. Seit zehn Jahren arbeitet Wenzel immer wieder in Georgien. Dort unterrichtet sie Performance und Immersives Theater am Center of Contemporary Art Tbilisi und arbeitet an partizipativen, künstlerischen Formaten für die Frauen*rechtsorganisation WISG. 2016 gründete Wenzel die georgische Nichtregierungsorganisation Aitsona Daitsona für Kindertheater und kulturelle Bildungsprojekte.
EINBLICKE IN DIE PRAXIS von Mareike Wenzel
„Frag Crassula“ – Immersives Performance Projekt mit Schüler:innen des Charlotte-Paulsen-Gymnasiums Hamburg
Kurzbeschreibung
Am Anfang des Projekts stand die Frage nach geschützten Orten für Kinder und Jugendliche besonders in Zeiten von Corona und weltweiten Krisen. Orte, an denen sie zusammen Ideen entwickeln können, an denen sie gemeinsam wachsen, sich unterstützen und ihre Fantasie entfalten können. Dazu kam die Frage, inwieweit Kinder ihre Lernorte mitgestalten können, so dass sie allen genug Möglichkeiten bieten sich zu entfalten.
Im Rahmen von drei Projekttagen im September 2022, entwickelte ich gemeinsam mit Schüler:innen des Charlotte-Paulsen-Gymnasiums und in Kooperation mit TUSCH Hamburg einen immersiven Raum im Klassenzimmer einer 7. Klasse, den wir gemeinsam gestalteten und am letzten Tag des Projekts für Gäste aus der Schule bespielten.
Ziel war es ein Projekt zu gestalten, das auch langfristig einen positiven Effekt für die Schüler:innen hat und den Klassenraum, der bis dahin eher unpersönlich war und nicht zum Verweilen und inspiriertem Lernen einlud, permanent nach den Ideen der Schüler:innen zu verwandeln. Es sollte ein Raum entstehen, an dem Ideen wachsen können, in dem Schüler:innen gerne lernen und sich aufhalten und der ihre Ideen und Bedürfnisse widerspiegelt.
Die Welt steht Kopf, vieles fühlt sich anders, unsicher und neu an. Wo finden wir in dieser Zeit Halt und fühlen uns verwurzelt? Wie können wir uns unterstützen? Was brauchen wir, um zu wachsen und uns entwickeln zu können? Wie können wir voneinander lernen? Was hält uns auf? Was brauchen wir für ein Umgebung? Was engt uns ein?
Die Antworten auf diese Fragen waren die Grundlage für die Umgestaltung des Klassenraums, der zu einem experimentellen und immersiven Gewächshaus für ideale Lebens- und Lernbedingungen wurde. Das Gewächshaus wuchs über die Projekttage und in ihm entstanden Geschichten und so gesellten sich zu den Schüler:innen auch noch 26 kleine Sukkulenten- und Affodilgewächse, die es aus einem Baumarkt nach Hamburg in die Klasse 7c verschlagen hatte und die mit ihren Geschichten und Bedürfnissen ein neues Zuhause im Klassenzimmer suchten. Alle Schüler:innen suchten sich eine Pflanze aus, um die sich kümmern wollten und zu der sie eine Geschichte entwickelten. Die Schüler:innen wurden Forschende und Expert:innen für ideale Wachsbedingungen und gestalten in verschiedenen Teams den Raum für sich und die neuen Klassenpflanzen um und entwickelten Geschichten zu den neuen Klassenzimmerbewohner:innen.
In kleinen Teams, die die Schüler:innen selbst wählten wurde der Klassenraum umgestaltet und Geschichten rund um das Aufwachsen und die eigenen Bedürfnisse geschrieben, das „Pflanzen-TV“ Team drehte einen kleinen Film zu den Schulpflanzen, einige Schüler:innen schrieben Geschichten und wählten Musik für ihre Pflanzen aus, andere gestalteten den Klassenraum bildnerisch um. Am Ende entstand ein Raum, der die verschiedenen Geschichten und Ideen der Schüler:innen widerspiegelte. Am letzten Tag bespielten die Schüler:innen ihren neu gestalteten Raum und luden als Expert:innen andere Klassen ein, in die neue Pflanzenklasse einzutauchen und mehr von den Pflanzengeschichten und dem Zusammenwachsen zu erfahren.
Einzelne Beispiele zu den Pflanzengeschichten finden Sie hier.
Das Projekt sollte Schüler:innen einen Raum gegeben sich mit ihren Bedürfnissen und ihren Anforderungen an die Umwelt und der Umwelt an sie selbst auseinanderzusetzen und Möglichkeiten der Ermächtigung aufzeigen, sie darin bestärken ihren Bedürfnissen nachzugehen und sich Raum zu nehmen, im übertragenen und eigentlichen Sinn. Gleichzeitig setzen sie sich mit verschiedenen Formen des Zusammenlebens sowie mit Pflanzen, Synergien und Symbiosen und dem städtischen Raum auseinander. Am Ende stand eine immersive Installation, ein narrativer Raum, der von den Schüler:innen selbst gestaltet wurde und der auch nach dem Projekt bleiben und weiterwachsen wird.
Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit TUSCH Hamburg und Lehrer:innen vom Charlotte-Paulsen-Gymnasium Hamburg.
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