Lisa Haucke (*1987, Herdecke) ist Tanz-Improvisationskünstlerin, Performerin, Ausstellungsmacherin und Pädagogin. Sie studierte Kunstvermittlung und Darstellendes Spiel an der Universität der Künste Berlin und der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig im B. A. und M. A., war Meisterschülerin von Candice Breitz sowie drei Jahre in Ausbildung bei Sylvia Heyden (Schulleitung T.A.N.Z. Braunschweig). 2018/2019 erhielt sie ein Stipendium im Künstlerhaus Meinersen, wo sie in ihrer Abschlussausstellung das gesamte Haus bespielte. Anschließend brachte sie Tanz als festes Unterrichtsfach für ein Halbjahr an die Waldorfschule Wolfsburg. Zuletzt war sie Hessens „Fliegende Künstlerin“: Sie bewohnte, bespielte und betanzte das von der Crespo Foundation initiierte fliegende Künstlerzimmer auf dem Schulhof der Limesschule in Idstein.
EINBLICKE IN DIE PRAXIS von Lisa Haucke
„Performativer Spaziergang“ Interventionen in soziale Felder – und von dort aus los zum Spazieren…
Als Künstlerin Intervenieren
Künstlerisches Thema ist es für mich, Lebensorte, Tanz und performative Praktiken miteinander zu verbinden. Ich begebe mich mit meinen künstlerischen Interventionen in soziale Felder und verhandele die dort vorgefundenen Themen, Möglichkeiten oder oder auch Einschränkungen künstlerisch, suche performative Antworten auf das, was eine Gruppe Menschen aktuell bewegt und bringe sie in Bewegung. Dies war beispielsweise 2020/21 in meiner Arbeit im Fliegenden Künstlerzimmer an der Limesschule in Idstein zentral. Dort realisierte ich eine Vielzahl kleinerer sowie größerer Projekte zusammen mit der Schulgemeinschaft. Auch sogenannte „performative Spaziergänge“ realisierte ich dort im Sportunterricht, da dieser pandemiebedingt zeitweise nur draußen stattfinden konnte. Mit meinem Praxisprojekt „Performativer Spaziergang“, wie 1 ich ihn 2022 an der Georg-Christoph-Lichtenbergschule (GCLS) mit rund sieben Jugendlichen (14+) im Rahmen einer Projektwoche realisierte, knüpfte ich daran an.
Von außen an Schule heran
Bewegungen zwischen Alltagsperformativität und Tanz im öffentlichen Raum interessieren mich. In diesem Bereich wollte ich parallel zum Zertifikatskurs weiter forschen. Als Pädagogin und Vermittlerin in den performativen Künsten ist es mir wichtig, mich selbst aus einem eigenen konkreten künstlerischen Interesse heraus, an meine Teilnehmenden zu wenden. Damit geht es mir in meiner Zusammenarbeit mit Menschen nie nur um eine Vermittlung von Wissen, sondern das „Wissen“, der künstlerische Gegenstand selbst, entsteht überhaupt erst Einfluss auf die Möglichkeiten der sich darin entfaltenden Kunst hat. Alle am Projekt beteiligten Akteure verstehe ich dabei stets als Lernende und sich in Entwicklung Befindende.
Durch die eigene Praxis Verbindungen zwischen den Feldern schaffen Meine eigene künstlerische Auseinandersetzung die dem „performativen Spaziergang“ an der GCLS vorausging gliederte sich in drei Teile: Im ersten Teil (April und Mai) wurde mir im Rahmen eines #TakeHeart Residenzstipendiums am tanzhaus NRW frei von Produktions druck ermöglicht, selbst als Tänzerin neues Bewegungsmaterial zu recherchieren und dieses 3 sowohl im Studio als auch in der Natur / im öffentlichen Raum zu erproben. In meiner eigenen täglichen Bewegungspraxis setzte ich mich in dieser Zeit mit dem Thema „Gewicht“ auseinander: Ich lehnte unterschiedliche Körperteile an verschiedene Objekte (z.B. Bäume, Mauern, Bänke o.ä.) und schaute, welchen Bewegungsradius die übrigen Körperteile noch erreichen konnten. So entwickelte ich kurze Bewegungssequenzen für die Orte, um anschließend diese Erfahrung ins Studio zurückzunehmen. Diese sogenannten „Imprints“ räumlicher Situationen, aber auch die bewusste Reduktion auf bestimmte Körperteile waren Teil dieses Researchs. Zugleich beobachtete ich auf soziologische Weise, wie bestimmte Orte durch Passanten im Alltag genutzt werden und welchen wechselseitigen Einfluss ihre alltäglichen Bewegungen auf meine Bewegungspraxis und umgekehrt nehmen können.
Im zweiten Teil habe ich die Erfahrungen im Rahmen meines Lehrauftrags an der HFM Saar an meine Studierenden in Saarbrücken weitergeleitet und mit ihnen erste performative Spaziergänge entlang der Saar erprobt und dafür verschiedene Bewegungs-Scores entwickelte, um u.a. zur veränderten Wahrnehmung beim beim Gehen anzuregen. Auch die Arbeit mit Gewicht führte ich hier weiter: Insbesondere an einer Mauer an der Saar – hier ließ ich die Studierenden eine feste Bewegungsfolge entwickeln. Anschließend haben sie diese im Rahmen einer von mir für sie organisierten Exkursion, auf die documenta nach Kassel gebracht, zeigten die Ergebnisse ihrer eigenen Bewegungsrecherchen den sogenannten „Fellows“ im Camp Notes on Education Room und traten sie so auch in einen Wissensaustausch über performative Vermittlungspraxis. Auf der Documenta Kassel gab ich 4 außerdem den damals zukünftigen Guides einen Workshop und vermittelte performative Ansätze, um sie auf ihre Führungen – ihre „Spaziergänge“ von Kunstwerk zu Kunstwerk mit einer Gruppe vorzubereiten und ihnen Mut zu machen als Guide „anders“ zu gehen und jenes Gehen selbst zum Thema zu machen.
Erst im dritten und letzten Teil ging ich selbst an eine Schule (GCLS) um meine Erfahrungen im Bereich der kulturellen Bildung umzusetzen. Hierbei griff ich auf mein bereits bestehendes Netzwerk über meine Zeit als Stipendiatin im fliegenden Künstlerzimmer zurück. Janina Warnk – meine „fliegende-Künstlerin-Kollegin“ hatte damals zeitgleich mit mir ein Stipendium an der GCLS Oberramstadt. Wir waren während unserer Stipendienzeit im Schuljahr 2020/21 in einem engen Austausch und versuchten auch kleinere Online-Projekte gemeinsam zu realisieren. Aufgrund der damaligen Corona-Situation war eine engere Zusammenarbeit „live“ jedoch noch nicht möglich gewesen. Das wollten wir nun nachholen.5 Und auch wenn jede von uns während der Projektwoche ein eigenes Projekt stemmte, so bot die gemeinsame Kollaboration mit der Schule doch zumindest viel Raum zum Austausch. Nicht zuletzt handelte es sich um eine „klassische“ Intervention der kulturellen Bildung, bei der ich als Künstlerin von außen an Schule herantrat und einen Workshop innerhalb einer Projektwoche gab, die in einer Präsentation mündete: die von mir angeleiteten Jugendlichen erprobten dabei selbst einen performativen Spaziergang mit einem Publikum und führten dieses über das Schulgelände….
Projekttitel: Performativer Spaziergang
Keywords künstlerischer Verfahren:Arbeit mit Gewicht, Imprints von Orten, Gehen als performative Praxis
Ort: im Grünen, von Kunstwerk zu Kunstwerk, entlang der Saar, der Schulhof
Kooperationspartner: Tanzhaus NRW, documenta Kassel, HFM Saar, GCLS Oberramstadt
Zielgruppen: Die Guides der documenta, Studierende, jugendliche Schülerinnen
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