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Emese Bodolay

© Heike Kandalowski

 

Emese Bodolay (*1987, Budapest) studierte Theaterwissenschaft und Germanistik an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie Philosophie und Medienwissenschaft an der Eötvös-Loránd-Universität Budapest (B.A.). Ihren Master absolvierte sie in dem theaterpraktisch forschenden Masterstudiengang Szenische Forschung. Gemeinsam mit dem Künstler:innenkollektiv Anna Kpok entwickelt sie szenische Arbeiten, in denen die Hierarchie zwischen „Zuschauer:innen“ und „Produzent:innen“ immer wieder neu hinterfragt und bearbeitet wird. Ihr Interesse gilt der gemeinsam verbrachten Zeit und dem gemeinsam produzierten „Kunstprodukt“. Hierfür arbeitet sie sich an der Bildung von Gemeinschaften, Gemeinschaftsprozessen und Begegnungen ab.

Kontakt: emese [at] annakpok [dot] de

 

EINBLICKE IN DIE PRAXIS von Emese Bodolay

Auszug der Projektdokumentation von Emese Bodolay

„Die Entscheidung der Tiere“ 

Anlässlich der im  Mai 2022 anstehenden Landtagswahl in Baden – Württemberg wurden Olga Feger und ich von der Schulleitung der Schöpflin Schule, Celina Rahman, angefragt, ein Theaterprojekt zu dem Thema „Wahl“ mit Kindern aus der ersten Klasse zu machen.

Die Kinder sollten spielerisch an den Themenkosmos „Wahl“ herangeführt werden.

Genese – Aus Wahlkapsel wird Entscheidungsparcours
In der Konzeption merkten wir, dass eine Wahl immer das Resultat einer Entscheidung ist. Wir entschieden, dass wir uns inhaltlich von der politischen Wahl ab- und der persönlichen Entscheidung zuwenden. Diese inhaltliche Setzung haben wir gemacht, weil wir in den Konzeptionsgesprächen gemerkt haben, dass wir es sehr spannend finden mit Kindern darüber zu sprechen, was sie überhaupt schon selbst entscheiden können.

Die Fragen, die wir an die Kinder mitgebracht haben waren:

„Was darfst du schon selbst entscheiden?“ , „Was würdest du gerne selber entscheiden?“ und „Wie würdest du dich dann selber entscheiden?“

Erste Woche: Kennen Lernen und Geschichten Sammeln
Unser Ziel war es, in der ersten Woche die Kinder und die Schule kennenzulernen. Wir besuchten die Kinder montags und dienstags in der Schule zu verschiedenen Lerneinheiten und begleiteten passiv den Unterricht.
Am Mittwoch und Donnerstag boten wir gemeinsam Lernangebote an, in denen wir mit den Kindern zunächst verschiedene Aufwärmübungen und Theaterspiele gemacht haben. Wir verwandelten uns in Tiere und Avatare und spielten verschiedene Spiele, in denen es auf unterschiedliche Art und Weise um Entscheidungen ging.
Nach den Spielen befragten wir die Kinder nach ihren Entscheidungen und Erlebnissen mit Entscheidungen. Diese Erkenntnisse, Geschichten und Inspirationen nahmen wir mit nach Hause und konzipierten die Aktionswoche, die einen Monat später stattgefunden hat.

Konzipierung des Parcours
Olga und ich führten zusammen, was wir beide am Besten können: Partizipative Prozesse gestalten, Geschichten erzählen und Erfahrungsräume gestalten.
Wir entschieden einen Theaterparcours zu bauen, auf dem die Kinder die Hauptrollen spielen und sich drei Mal in Situationen wiederfinden, in denen sie sich auf einer Art und Weise als Gruppe entscheiden müssen, wie es weiter geht.

Wir entschieden uns dafür, den Parcours in einer fiktiven Tierwelt zu verorten. Während der ersten Woche in Lörrach haben wir festgestellt, dass die Kinder sich sehr für Tiere interessieren: Sie ahmen sie gerne nach, spielen sie gerne nach, wissen um ihre Besonderheiten und verfügen über Spezialwissen. Tiere eigneten sich sehr gut, um sich zu verwandeln. Die Kinder konnten gut in eine selbst gewählte Rolle schlüpfen: Jedes Kind hat ein Lieblingstier und weiß um dessen „Spezialfähigkeit“.

Die Kinder sollten also als Tiere durch den Parcours immer wieder auf Entscheidungsmomente treffen, die ihnen als Gruppe verschiedene Entscheidugungsmodi abverlangt, um weiterzukommen.

Auch wir nahmen Rollen an: Die Gruppe der Kinder wurde von uns als Krake (Emese) und als Zirkusdirektorin (Olga) durch die Geschichte navigiert.

Die Geschichte
Die Menschen zerstören den Lebensraum der Tiere, überall auf allen Kontinenten. Und es wird immer schlimmer. Die Tiere halten es nicht mehr aus, sie haben keine Lust mehr und beschließen, dass sie ausziehen, um sich einen neuen Platz zum Leben zu suchen. Ohne Menschen. So wie sie ihn brauchen. Wo es all das gibt, was sie glücklich macht.

Sie verabreden sich, dass sie sich gemeinsam auf die Reise begeben.

Die Krake hat einen Bus und lädt alle ein, mitzufahren: „Ich habe einen Bus, der ist perfekt für uns. Klein von Außen, Groß von Innen. Schön bunt, so dass die Menschen uns nicht darin erkennen. Er schützt uns vor Kälte und spendet Schatten.“ Gemeinsam machen sich die Tiere auf den Weg und erleben verschiedene Abenteuer, bei denen sie sich entscheiden müssen, wie es mit ihnen als Gruppe weitergeht.

Ablauf
Nachdem die Kinder angekommen waren, verwandelten wir uns alle in Tiere: Wir machten einen Bewegungschor, einen Tiergeräuschechor und jedes Kind durfte sich in sein Lieblingstier verwandeln. Die Kinder mussten der Gruppe erzählen, warum sie sich für das Tier entschieden haben: Was dieses Tier besonders gut kann und was es besonders auszeichnet. Wir einigten uns als Gruppe auf ein Zeichen, was die Krake (Emese) macht, um die Aufmerksamkeit der Kinder zu kriegen und die Gruppe wieder zusammen zu kriegen.

Die Kinder krabbeln mit uns in den Bus und wurden in die Vorgeschichte eingeführt. Es war klar: Wir als Tiere müssen jetzt los und einen neuen Ort zum Leben suchen. Insgesamt gab es vier Stationen, an denen die Kinder sich auf unterschiedliche Arten zu Entscheidungen durchringen mussten, um gemeinsam als Gruppe den Verlauf der Geschichte weiter zu bestimmen. Der Verlauf des Parcours wurde durch verschiedene Zeichen und dem Einsatz von Musik vorgegeben.

Immer wieder wurde der Einsatz des Bewegungs- und Tiergeräuschchors abverlangt, um Gruppenmomente zu setzen und die Kinder aufeinander zu besinnen. Wir bauten sowohl demokratische Entscheidungsmomente ein, wie auch Entscheidungen, die auf dem Zufallsprinzip beruhen, wie eine Münze werfen. Am Ende gab es selbstgemachte Pizza im Steinofen auf dem Gelände und alle Tiere waren glücklich an ihrem neuen Zuhause.

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