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Olek Konrad Witt

© Rolf Franke

Olek Konrad Witt ist Theaterregisseur, Performer, Schauspieler und Theaterpädagoge. Er wurde in Polen geboren und emigrierte 1978 nach Deutschland. Witt studierte Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft an Universitäten in Heidelberg, London und Berlin. Nach Abschluss als Diplom-Politologe studierte er Tanz und Schauspiel an der Akademie für Visuelle Kunst in Posen und an der Schauspielakademie in Berlin. 1995 gründete er das „Theater am Ende“ und schuf Site-specific Performances. Witt engagiert sich in der Förderung von kreativen Potenzialen von Kindern und Jugendlichen und gründete 2003 in Solingen das Ensemble „spinaTheater“ und 2008 in Berlin die interkulturelle Gruppe „Theater der Migranten“. Mit dem Dresdner Kollektiv „re-Publik Performance“ realisiert er Projekte zu Erinnerungskultur.

 

Kontakt:

www.re-publik.de

www.olekwitt.de

 

 

EINBLICKE IN DIE PRAXIS von Olek Konrad Witt

„Ma´agal. Die Mädchen von Zimmer 28“ – Projekt zu Erinnerungskultur mit dem Gymnasium in Heide

© Olek Konrad Witt

Ziel des Projektes war eine kreative Auseinandersetzung mit Fragen der Erinnerungskultur am Beispiel der Ereignisse in KZ Theresienstadt in den Jahren 1942 – 1945. Grundlage hierfür bildete „Das Theresienstädter Tagebuch“ von Helga Pollak-Kinsky.

25 Schüler*innen der 10. Klasse des Gymnasiums Heide arbeiteten unter der Anleitung des Regisseurs und Theaterpädagogen Olek Konrad Witt in zwei intensiven Theaterworkshops an einer musiktheatralischen Performance, die am 10. Juni 2022 zur Eröffnung der Ausstellung „Die Mädchen von Zimmer 28“ in der Erlöser-Kirche in Heide aufgeführt wurde.

In der Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte von Helga Pollak, einem jungen Mädchen, das im KZ Theresienstadt gefangen wurde, thematisiert das Projekt das gemeinschaftliche Miteinander und Solidarität unter besonders herausfordernden Lebensbedingungen sowie dabei die Rolle der Pädagogik und Kunstvermittlung.

In Theresienstadt waren viele Künstler*innen, Pädagoge*innen und Visionäre zusammengekommen. Sie alle hatten sich entschlossen, auch unter den menschenunwürdigen Bedingungen als Mensch zu leben und sich nicht der Hoffnungslosigkeit und der Angst auszuliefern. In verbotenen Unterrichtsstunden und halblegalen Aufführungen und Konzerten entführten Künstler*innen und Pädagoge*innen die Kinder in eine Welt der Kreativität und Fantasie. Angesichts der grausamen Realität wurde mit Musik, Zeichenunterricht, Lesungen und Theateraufführungen alles Mögliche unternommen, um eine positive zukunftsweisende Atmosphäre zu schaffen, in der der Überlebenswille und die Hoffnung nicht zu brechen waren. In einem menschenverachtenden Umfeld schufen die Kinder sich im Zimmer 28 eine individuelle Gegenwelt, in der sie Werte wie Mitmenschlichkeit, Freundschaft, Solidarität und tolerantes Umgehen miteinander hochhielten und lebten.

Aus den Tagebucheintragungen Helga Pollaks, den Notizen ihres Vaters und aus den Liedern der in Auschwitz ermordeten Dichterin und Musikerin Ilse Weber entstand eine dokumentarische Theaterperformance.

Ein reflexiver Umgang mit Erinnerungskultur kann auf vielfältige Weise vermittelt werden. Besonders geeignete Themen und Formen von Erinnerung sind dabei diejenigen, die zur Auseinandersetzung mit den eigenen Lebenserfahrungen und Erinnerungen anregen. Dabei sind die Herausforderungen, die sich aus der komplexen und vielschichtigen Natur der Erinnerungskultur ergeben, als Chance zu begreifen, um künstlerisch zu intervenieren. Der historische Kontext wird zur persönlichen Frage:  weshalb wir Menschen uns an etwas erinnern sollten? Weshalb ist der Blick in die Vergangenheit wichtig für unsere Zukunft? Ist es sinnvoll, dass sich Kinder und Jugendliche auch mit den schmerzhaften Erinnerungen beschäftigen? – Diese können als Herausforderungen angesehen werden, die es kreativ und mutig zu meistern gilt.

Methoden

Vor dem künstlerischen Prozess wurden die Schüler*innen vom Geschichtslehrer und von der Expertin und Schriftstellerin Hannelore Brenner in einem Workshop mit historischem Wissen vorbereitet.

Am ersten Tag des Projektes haben wir verschiedene Kennenlernspiele und Warmup-Übungen durchgeführt. Dabei ging es vor allem darum, eine vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre zu schaffen und die Schüler*innen von Anfang an am Entstehungsprozess einer Theaterinszenierung aktiv zu beteiligen. Nach einer täglichen Warmup-Phase von ca. 60 Minuten, fand eine Diskussion zu den aktuellen Fragen des Arbeitsprozesses statt.  Danach verlief die weitere Arbeit in kleinen Gruppen mit bis zu sieben Schüler*innen In den Kleingruppen wurde zu bestimmten Themen wie zum Beispiel „Freundschaft“, „Angst“ oder „Solidarität“ gearbeitet. Die dabei entstandenen Improvisationen wurden anschließend am Ende des Tages präsentiert und an den folgenden Tagen weiterbearbeitet, verdichtet und zu festen Szenen entwickelt. Neben der Entwicklung von Spielszenen ging es darum, sich mit ausgewählten Textfragmenten aus dem Tagebuch von Helga Pollak zu beschäftigen und zu überlegen, wie diese Texte auf die Bühne gebracht werden können.

Um möglichst viele Schüler*innen am Bühnengeschehen teilhaben zu lassen, haben wir uns entschieden, dass die Rolle von Helga nicht von einem einzigen Mädchen gespielt wird, sondern dass ihre Texte abwechselnd von verschiedenem Schüler*innen gesprochen oder dargestellt werden. Ähnlich war es bei der Verteilung der Textstellen von Otto Pollak. Dokumentarische Szenen, die nüchtern ohne allzu stark psychologisierendes Spiel dargestellt wurden, wurden in der Inszenierung mit den aus den Improvisationen entstandenen fiktionalen Szenen verwoben.

Die Schüler*innen, die nicht auf der Bühne auftreten wollten, übernahmen die Verantwortung für das Bühnenbild, Requisite, Licht und Technik.

Wir haben in diesem Projekt versucht die Ideen, Potentiale und Bedürfnisse der Schüler*innen partizipatorisch einzubinden. Durch die Umstände der Pandemie und aufgrund des Themas, gab es aber auch einige Schüler*innen, denen es schwer fiel dieses, persönlich nahegehende Thema, mitzugestalten. Mit der Aufführung am 10. Juni 2020 gelang den Schüler*innen ein beeindruckendes Ergebnis.

Fazit

Durch künstlerische Interventionen in der Schule können Schüler*innen ihre kreativen und sozialen Fähigkeiten und Kompetenzen auf vielfältige Weise erweitern und vertiefen. So eine Intervention ist aber ein Unterfangen, das viel Zeit, organisatorische, technische und finanzielle Ressourcen benötigt und von allen Beteiligten eine starke Motivation abverlangt. Schüler*innen müssen gut mit notwendigem Wissen vorbereitet werden, damit sie offen, mit Mut und ohne Vorbehalte, an dem Gestaltungsprozess und an einer Theateraufführung teilnehmen können. Speziell bei dem Thema Erinnerungskultur setzt eine performative Auseinandersetzung ein historisches Wissen und Recherchefähigkeit voraus. Und besonders wertvoll ist es, wenn die Schüler*innen in diesem kreativen Prozess ihre eigenen Erfahrungen, Gefühle und Ideen in ein gemeinsames Theaterstück einbringen können.

Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein „Room 28“ im Rahmen von „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

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